Intelligente Speicherheizungen: Eine flexible Technologie für den Gebäudebestand

24. Januar 2025

Obwohl im Neubau fast ausschließlich Wärmepumpen zum Einsatz kommen, gibt es im Gebäudebestand nach wie vor einfache Speicherheizungen mit einer installierten Leistung von mehr als 20 GW. Intelligente Speicherheizungen können aktiv die Energiewende unterstützen, indem sie als steuerbare Verbraucher in das Energiesystem integriert werden. Im Auftrag der Fa. EGH hat EnQS die auf Azure-Komponenten basierende EGH Plattform gebaut, die ca. 3000 Speicherheizungen im Feld optimiert. Insbesondere im Zusammenspiel mit dynamischen Stromtarifen, intelligenten Messsystemen und §14a EnWG kann erhebliches Flexibilitätspotential genutzt werden.

In Deutschland stellen elektrische Speicherheizungen mit einer Gesamtleistung von über 20 Gigawatt nach wie vor einen signifikanten Anteil an der installierten Leistung im Stromnetz dar. Viele dieser Geräte stammen aus einer Zeit, in der die Grundlast im deutschen Stromnetz durch Kernkraftwerke bereitgestellt wurde. Die so genannten Nacht-Speicherheizungen konnten in der Nacht mit günstigem Strom beladen (aufgeheizt) werden und die gespeicherte thermische Energie über den Tag verteilt abgeben.

Abb. 1: Verteilung der Marktlokationen steuerbarer Verbrauchseinrichtungen

 

Obwohl der Wirkungsgrad von Speicherheizungen mit „nur“ 100% (COP = 1) im Vergleich zu modernen Wärmepumpen oder Klimageräten (COP = 3 bis 5) deutlich im Nachteil ist, ist ein Technologiewechsel in vielen Bestandsgebäuden wirtschaftlich nicht sinnvoll:

  • Speicherheizungen sind häufig in Gebäuden installiert, die im sozialen Wohnungsbau in den 1950ern bis 1970er Jahren entstanden sind.
  • In diesen Gebäuden ist die Installation der für den zentralen Betrieb einer Wärmepumpe erforderlichen Wasserheizkreise mit sehr hohen Kosten verbunden.
  • Alternativen zur Wärmepumpen-Zentralheizung wären dezentrale Luft-Luft-Wärmepumpen (so genannte „Split-Geräte“) oder Einzelraum Infrarotheizungen. Doch auch hierfür sind teilweise aufwendige Installationsarbeiten in den Wohnungen erforderlich und sie können den Stromverbrauch nicht in günstige Tageszeiten verschieben, da sie über keine Pufferspeicher verfügen.

Abb. 2: Intelligente Speicherheizung mit IoT-Modul

 

Für diese Gebäude bieten moderne, intelligente Speicherheizungen eine sinnvolle und praktikable Lösung und bieten zudem weitere Vorteile:

  • Flexible Beladungsfenster erlauben eine flexible Energienutzung, indem die Geräte dynamisch auf Zeitfenster mit günstigen Strompreisen reagieren. Moderne Speicherheizungen laden sich dann auf, wenn ein Überschuss an Wind- oder Solarenergie im Netz verfügbar ist.
  • Effizientere Isolation: Neue Speicherheizungen minimieren Wärmeverluste und halten die gespeicherte Energie länger verfügbar, bis sie benötigt wird.
  • Fernsteuerbare Lüfter ermöglichen eine präzise Steuerung der Raumtemperatur und reagieren auf vorgegebene Temperaturprofile.
  • IoT-Integration: Die Geräte lassen sich nahtlos in intelligente Netzwerke einbinden, um den Verbrauch z.B. durch Witterungsprognosen zu senken, Daten zu analysieren und den Betrieb zu optimieren.
  • Fehleranalyse aus der Ferne: Probleme können frühzeitig erkannt und behoben werden, oft bevor der Nutzer einen Komfortverlust bemerkt.

 

Von der Nachtspeicherheizung zur Speicherheizung für regenerativ erzeugten Strom

Diese Vorteile können zu einer deutlichen Verbesserung des Nutzererlebnisses führen: Bewohner profitieren von einer effizienteren Beladung der Geräte, die sich an Wetterprognosen und individuellen Heizprofilen orientieren. Sie können ihre Heizungen bequem über Apps steuern und erhalten transparente Informationen über Verbrauchs- und Einsparpotenziale. Zudem kann die Technologie genutzt werden, um den Heizstrombedarf flexibel an die Erzeugung anzupassen. Im Kontext der so genannten steuerbaren Verbrauchseinrichtungen nach §14a EnWG ergibt sich hier ein enormes Flexibilitätspotential im Stromnetz. Aktuell werden zur Ansteuerung der installierten Speicherheizungen 56% Rundsteuertechnik, 40% Zeitschaltung und 1% Fernwirktechnik eingesetzt (Rest keine Steuerung). Diese Technik gilt es durch intelligente Messsysteme (iMSys) zu ersetzen, die seit 2025 millionenfach ausgerollt werden und die Ladefenster für elektrische Speicherheizungen zu erweitern.

 

Intelligente Steuerung durch IoT-Technologie

Die technische Lösung ist bereits Realität. Im Auftrag eines Betreibers von intelligenten Speicherheizungen, der EGH Electric Green Heating GmbH, hat das EnQS-Team die EGH Plattform implementiert und steuert damit inzwischen in der zweiten Heizperiode ca. 3.000 in ganz Deutschland verteilte Speicherheizungen flexibel und intelligent an.

Kernstück ist dabei ein Backend, welches die Steuerung und Überwachung der Geräte ermöglicht. Es basiert auf Cloud Services von Microsoft Azure. Diese bieten nicht nur Schnittstellenvielfalt, Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit, sondern erlauben auch die Entwicklung individueller Steuerungs- und Optimierungsalgorithmen. Zudem sollte ganz bewusst kein proprietäres Energiemanagementsystem gebaut werden, sondern ein System, das im Wesentlichen aus Azure Standardkomponenten besteht.

Abb. 3: vereinfachtes Architekturbild EGH Plattform

Die wichtigsten Azure-Komponenten der EGH Plattform sind:

  • Azure Data Explorer (ADX) für die performante Speicherung umfangreicher Zeitreihendaten
  • Azure Stream Analytics zum Filtern und Triggern von Events
  • Azure Functions für die eventbasierte Optimierung und Bereitstellung der APIs

Die Berechnung der individuellen Ladeprofile erfolgt in einer für die Plattform implementierten Optimierungskomponente. Parameter für die Optimierung sind u.a. die Außentemperaturprognose, der Restladezustand (SOC) des Speichers und die gewünschte Zieltemperatur des Bewohners. Hinzu kommt ein individueller Beladungskoeffizient, der auf historischen Daten zum Wärmeverlust der konkreten Wohnung basiert. Die Ladeprofile (Zeitfenster mit jeweils individueller Ziel-Kerntemperatur für die nächsten 24 Stunden) werden über ein weiteres Backend an die Speicherheizungen übermittelt.

 

Abb. 4: ADX Dashboard (Support Tools)

Darüber hinaus wurde ein Dashboard umgesetzt, welches umfangreiche Analysen effizient ermöglicht. Service-Mitarbeiter können beispielsweise Störungen frühzeitig erkennen und beheben, indem Anomalien auf Basis von historischen Messwerten erkannt werden. Nutzer erhalten Empfehlungen, wie sie den Komfort weiter verbessern können – etwa durch Anpassungen der Heizprofile oder eine Erhöhung der Beladung. Zudem wird die Umsetzung der Beladungsprofile überwacht, so dass bei Abweichungen Service-Einsätze automatisiert ausgelöst werden können.

Das gesamte IoT-System ist heute schon „§14a ready“. Wird im Gebäude ein intelligentes Messsystem nachgerüstet, können Messwerte über iMSys übertragen und Steuersignale vom Markt oder vom Netzbetreiber umgesetzt werden.

 

Erfahrung aus 2 Jahren Praxiseinsatz

Zur Vernetzung der Edge-Geräte mit einem lokalen Hub wurde zunächst eine auf 868 MHz basierende Funktechnologie eingesetzt. Inzwischen erfolgt die gesamte Datenübertragung direkt über ein LTE-Modul, das in jeder Speicherheizung integriert ist. Diese Umstellung hat die Datenqualität signifikant verbessert. Zudem wurde eine automatische Anpassung des Heizkoeffizienten eingeführt, um dynamisch auf unterschiedliche Verbrauchsprofile reagieren zu können. Beide Maßnahmen haben die Nutzerzufriedenheit deutlich gesteigert. Durch die Einführung einer benutzerfreundlichen Endkunden-App sollen die Interaktionsmöglichkeiten für den Endnutzer weiter verbessert werden.

Abb. 5: Endkunden-App

In keinem der Gebäude hat der zuständige Messstellenbetreiber bisher intelligente Messsysteme installiert, so dass die Ladefreigabe weiterhin über klassische Rundsteuertechnik erfolgt. Durch die Verbindung mit iMSys können weitere Potentiale, etwa durch die Integration dynamischer Stromtarife und die Verschiebung der Beladung in „Überschusszeiten“, genutzt werden.

 

Quellen

 


 

EGH Electric Green Heating GmbH

Wohnungsunternehmen und privaten Eigentümern eine wirtschaftliche und klimafreundliche Modernisierung der Bestände von Nachtspeicherheizungen zu ermöglichen, ist die Mission der EGH. Hervorgegangen aus einem 2019 gestarteten Entwicklungsprojekt eines marktführenden Wärmedienstleisters und eines namhaften Herstellers von elektrischen Speicherheizungen tritt die EGH seit 2. Quartal 2024 eigenständig am Markt auf. Geführt wird das Unternehmen von Sven Tetzner, der sich unternehmerisch bereits seit Anfang der 1990er Jahre auf die Installation und den Betrieb elektrischer Heizungssysteme spezialisiert hat und damit eine Familientradition in 4. Generation fortsetzt. Das innovative Green Heating Speicherheizungs-System ist über die Fachpartner im Handwerk erhältlich. Intelligenten Betrieb und deutschlandweiten Service leistet EGH optional. Wohnungsunternehmen bietet EGH zusätzlich die Modernisierungslösung im Contractingmodell aus einer Hand an.

EnQS GmbH

Seit 2016 unterstützt EnQS Hersteller und Anwender von Energiemanagement- und IoT-Systemen. Ursprünglich als Spin-Off des FZI Forschungszentrums Informatik gegründet, greift das EnQS-Team auf langjährige Erfahrung bei der Softwareentwicklung von dezentralen Energiemanagementsystemen zurück. Was vor 10 Jahren angewandte Forschung war, ist heute innovative Produktentwicklung.

Inzwischen stützt sich das Dienstleistungsportfolio auf drei Säulen: Testing, Prototypen- und Software-Entwicklung. EnQS steht an der Schnittstelle zwischen Elektrotechnik und Informatik und verbindet diese beiden Disziplinen. Zur Erprobung von Prototypen und Produkten betreibt EnQS das EnQS Testlab mit PV-Anlage, Energiemanagementsystemen, Wechselrichtern, Batteriespeichersystemen, Ladesäulen für E-Fahrzeuge u.v.m. Zudem unterstützt EnQS seit mehreren Jahren seine Kunden bei der Verbindung von Energiemanagementsystemen und intelligenten Messsystemen (iMSys).

Kontakte

EGH Electric Green Heating GmbH
Sven Tetzner, Geschäftsführer
Kurfürstendamm 30, 10719 Berlin
Tel: +49 30 20253373 | E-Mail: kontakt@greenheating.de | www.my-green-heating.de

EnQS GmbH
Dr.-Ing. Birger Becker, Geschäftsführer
Weberstr. 9, 76133 Karlsruhe
Tel: +49 721 957941-0 | E-Mail: info@enqs.de | www.enqs.de

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